Orizont baut Brücken für rumänische Waisen

Der Patriot / Lippstädter Zeitung
Lippstadt 07.11.2005

Orizont baut Brücken für rumänische Waisen

Hilfsorganisation der gebürtigen Lippstädterin Irmelin Küthe stellte bei Benefizfest ihre Arbeit für junge Frauen in Siebenbürgen vor.

Die Cheerleader der Lippstadt Panthers stießen bei ihrer akrobatischen Vorführung manchmal schon fast unter die Decke des Evangelischen Gemeindehauses in der Brüderstraße. Foto: SalmenLIPPSTADT Bis vor zwei Jahren war Nicoletta nur eine Nummer. Dann kam Orizont.

Der Verein der gebürtigen Lippstädterin Irmelin Küthe nahm das Roma-Mädchen in seine Wohngruppe auf, als es 18 wurde und das staatliche Waisenhaus im rumänischen Targu Mures verlassen musste. Heute hat Nicoletta Arbeit in einer Textilfabrik, wird ihr Leben bald allein in die Hand nehmen können – und weiß nun erstmals, wie es ist, mit Namen angesprochen zu werden.
Bei beruflichen Reisen nach Siebenbürgen hat Irmelin Küthe Schicksale wie das von Nicoletta zuhauf kennen gelernt. Abfinden wollte sie sich damit nicht – und gründete den Verein Orizont. Zwölf Mitglieder hat er inzwischen, viele aus der Lippstädter Familie Küthe, außerdem gut 40 Förderer. Am Samstag stellte sich die Hilfsorganisation bei einem Benefizfest im Evangelischen Gemeindehaus vor.
Nur eine Verwaltungsnummer unter hunderten zu sein wie Nicoletta im Waisenhaus, ein Leben ohne Identität – das ist für Katharina und Janika Streblow kaum vorstellbar. Die Zwillinge sind 15 Jahre alt und musizieren, seit sie vier sind. Ihre Persönlichkeit entfalten zu können, ist für sie normal. „Man nimmt gar nicht mehr richtig wahr, dass man vernünftig behandelt wird, bestimmte Rechte und Möglichkeiten hat“, sagen sie. Selbstverständlich wollten sie helfen angesichts der Lebensgeschichte der Waisen.
Katharina und Janika gehören zu den Singing Ladies der Musikschule. Mit denen traten sie am Samstag für den guten Zweck auf – wie viele andere: die Music Boys und das Salonorchester von der Musikschule, die Rock’n’Roll-Formation Pink Panthers und die Cheerleader der Lippstadt Panthers. Der Weltladen Lippstadt bot fair gehandelte Produkte an, der Verein zur Unterstützung von Hilfsprojekten für Kinder selbst hergestellte Kissen und Dekorationen. Orizont hatte Schmuck, Keramik und Wollsocken aus Rumänien mitgebracht. Bei einer Versteigerung konnten die Besucher Sachspenden vom Obstkorb bis zum Ferienaufenthalt ergattern.
Irmelin Küthe schilderte in Dia-Vorträgen die Situation der Waisenmädchen. Sie seien das Ergebnis der „brutalen Familienpolitik“ des Ceaucescu-Regimes, die jede Frau zu vier Kindern verpflichtete. Viele seien ausgesetzt worden und nun Sozialwaisen. „Die meisten sind entwicklungsgestört. Sie waren nicht behindert, sie wurden behindert, weil es keine Förderung gab.“
Orizont kümmert sich um sie, hilft Familien, unterstützt die örtliche Kirchengemeinde. Fünf junge Menschen betreut der Verein in einer Wohngruppe. Dazu beschäftigt er eine Sozialpädagogin. Die Gruppe soll eine Brücke vom Waisenhaus ins selbstständige Leben sein. Orizont ist eine Brücke zwischen West und Ost.

Quelle: Der Patriot